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Leben · Mühlhausen

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Mühlhausen Mühlhausen Die Stadt Mühlhausen liegt etwa 70 Kilometer nordwestlich von Arnstadt. Die freie Reichsstadt war zu Beginn des sechzehnten Jahrhunderts ein Ausgangspunkt des Deutschen Bauernkrieges um den radikalen Reformator Thomas Müntzer. Obwohl der Aufstand vom fürstlichen Heer niedergeschlagen wurde und Müntzer als Anführer dabei sein Leben verlor, ließ sich der Status quo nicht mehr lange aufrechterhalten. Im Jahr 1557 wurde durch Superintendent Hieronymus Tilesius in Mühlhausen endgültig die Reformation eingeführt.

Nach dem dreißigjährigen Krieg gingen Einfluß und Bedeutung der nach Erfurt zweitgrößten thüringischen Stadt stark zurück. Wie der Dorfkern von Arnstadt fiel auch Mühlhausen mehrmals den Flammen zum Opfer. Es gab keine organisierte Feuerwehr, die Bebauung war eng und die meisten Häuser bestanden aus Holz. Der große Stadtbrand im Jahr 1689 vernichtete fast die Hälfte der Unterstadt und brannte mehr als 500 Häuser nieder. Ende Mai 1707 (kurz vor Johann Sebastian Bachs Eintreffen) brennt die Stadt wieder. Diese Katastrophe wird 1708 indirekt ein Grund für seinen frühen Weggang aus Mühlhausen werden. Die beiden Hauptkirchen der Stadt - St. Marien im Zentrum und Divi Blasii am Untermarkt - haben alle Brände unbeschadet überstanden. An letztgenannter wird Johann Sebastian Bach am 15. Juni 1707 als Organist angestellt, nachdem er am 24. April (Ostern) mit seinem Vorspiel die Gemeinde überzeugt hatte.

Signum Neben seinem außerordentlichen musikalischen Können zeigt Bach hohes Geschick beim Verhandeln. Wie schon bei seiner letzten Position erhält er mehr Lohn als sein Vorgänger und Nachfolger. Vielleicht hilft auch die Verwandtschaft seiner Verlobten mit dem Kammerschreiber der Stadt Johann Hermann Bellstedt. Sein Gehalt in Mühlhausen beträgt 85 Gulden, dazu kommen drei Malter Korn, zwei Klafter Holz und sechs Bündel Reisig, und zwar "an statt des ackers, vor die thür geführet", wie Bach selbstbewusst fordert. In die Mühlhausener Zeit fallen zwei wichtige Ereignisse. Zunächst seine Hochzeit mit Maria Barbara Bach, einer Cousine zweiten Grades. Johann Sebastian hatte sie vermutlich in Arnstadt kennengelernt. Maria Barbara, die Tochter des Gehrener Organisten Johann Michael Bach, der wiederum ein Cousin von Johann Sebastian Bachs Vater Wolfgang Ambrosius ist, wurde am 20. Oktober 1684 geboren und ist demnach ein halbes Jahr älter als ihr Ehemann. Als Pfarrer wählt das junge Paar den befreundeten Lorenz Stauber, der sie am 17. August 1707 in der kleinen St. Bartholomäi-Kirche im Dorf Dornheim bei Arnstadt traut.

Den 17. 8br 1707. ist der Ehrenveste Herr Johann Sebastian Bach, ein lediger gesell und Organist zu St. Blasii in Mühlhausen, des weyland wohl Ehren vesten Herrn Ambrosii Bachen berühmten Stadt organisten und Musici in Eisennach Seelig nachgelaßener Eheleiblichen Sohn, mit der tugend samen Jungfer Marien Barberen Bachin, des weyland wohl Ehrenvesten und Kunst berühmten Herrn Johann Michael Bachens, Organisten im Amt Gehren Seelig nachgelaßenen Gottes Hause, auff Gnädiger Herschafft Vergünstigung nachdem sie zu Arnstad auff gebothen worden, copuliret worden.

Organist von Divi-Blasii

Deckblatt zur Kantate
'Gott ist mein König' Als Organist der Divi-Blasii-Kirche übernimmt Bach das Erbe seines Vorgängers Johann Georg Ahle, der sich nicht nur als Liederkomponist, sondern auch als Musiktheoretiker einen guten Ruf erarbeitet hatte. Ahle war nicht nur einfacher Organist, er leitete zudem die "Musicalischen Societät" Mühlhausens, in welcher Musiker und Sänger der Stadt und der Umgebung organisiert waren. Das Amt besitzt in der Stadt also hohe Bedeutung. Die Stadträte wissen den jungen Organisten zu schätzen und lassen ihm genug Freiheiten. Leider fehlt das Geld für die Renovierung der Kirchenorgel, welche von der Größe mit der Orgel in der Arnstädter Neuen Kirche vergleichbar ist, aber in eher schlechtem Zustand an Johann Sebastian Bach übergeben wird. Vielleicht ist das der Grund, weshalb Bach seine Leidenschaft für Vokalmusik (vor allem Kantaten) entdeckt. Natürlich könnte auch seine frischvermählte Frau Maria Barbara für sein neuen musikalischen Interessen verantwortlich sein, schließlich stammten aus der Feder ihres Vaters Johann Michael Bach einige kunstvolle Stücke. In Johann Sebastian Bachs Mühlhausener Jahr entstehen die folgenden Kompositionen:

In Mühlhausen entstandene Werke:

Das zweite bedeutende Ereignis hat er seinem Beruf zu verdanken: die erste erhaltene und zu seiner Lebenszeit gedruckte Komposition. Der jährlich stattfindende Wechsel des Stadtrates wird in Mühlhausen im Rahmen eines Gottesdientes feierlich zelebriert. Johann Sebastian Bach erhält den Auftrag, die Musik für die Zeremonie zu komponieren. Seine Kantate "Gott ist mein König" wird am 4. Februar 1708 aufgeführt und ist in Text und Noten erhalten. Das für Chor, Orgel, Tompeten, Flöten, Oboen, Fagott und Streicher geschriebene Stück erfüllt den hohen Anspruch seiner Auftraggeber und gefällt den Hörern.

Die von J. S. Bach geplante Orgelerweiterung von Divi Blasii:
Hauptwerk Brustwerk Rückpositiv Pedal
Principal 8' Principal 2' Gedackt 8' Untersatz 32'
Oktave 4' Mixtur 3fach Salcional 4' Principal 16'
Oktave 2' Schallmey 8' Spitzflöte 2' Subbaß 16'
Cymbel 2fach Quinte I 1/2' Sesquialtera Oktave 8'
Mixtur 4fach Terz I 3/5' Principal 4' Oktave 4'
Violdigamba 8' Flöte 4' Quintatön 8' Mixtur 4fach
Gedackt 4' Stillgedackt 8' Quintflöte Posaune 16'
Quinte 3' Oktave 2' Trompete 8'
Fagott 16' Cymbel 3fach Cornetbaß 2'
Quintatön 16' Rohrflötenbaß 1'
Sesquialtera 2fach

Am 21. Februar 1708 erstellt Johann Sebastian Bach einen genauen Umbauplan für die Orgel von Divi Blasii. Nach seiner Disposition sollte das Orgelwerk unter Berücksichtigung der angespannten Finzanzlage der Stadt preiswert vergrößert werden.

Pietisten und Lutheraner

Doch die Mühlhausener haben andere Sorgen als die von Bach geforderte Pflege der Kirchenmusik. Der Stadtkasse fehlt es an Geld und die Kirche zankt sich um die Bedeutung der Musik im Gottesdienst. Die junge pietistische Bewegung fordert ihre Beschränkung zugunsten des gesprochenen Wortes. Die orthodoxen Lutheraner sehen in der Kirchenmusik ein wichtiges Mittel für Andacht und Anbetung und messen ihr größere Bedeutung zu. Bachs Vorgesetzter, Pastor Johann Adolph Frohne vertritt die puritanische Einstellung, während sein Kollege Pastor Georg Christian Eilmar an der Marienkirche lutherisch-orthodox eingestellt ist. Johann Sebastian Bach bewegt sich recht geschickt zwischen den beiden Fronten, eine Perspektive auf Verbesserung der Situation gibt es allerdings nicht. Außerdem erhebt die Stadt hohe Steuern um die Schäden des Stadtbrandes von 1707 zu beheben. Und schließlich möchte Bach mehr als "nur" Organist sein. Vielleicht inspiriert durch Buxtehude in Lübeck, der zu seinem Organistenamt zusätzlich die Hauptverantwortung für die gesamte Kirchenmusik trug, möchte Bach scheinbar dieses Modell auch in Mühlhausen realisieren. Doch dieser Wunsch wird ihm nicht gewährt.

Als der von ihm vorgeschlagene Orgelumbau schließlich beginnt, ist Bach schon nicht mehr in Mühlhausen. Im Juni 1708 reist er nach Weimar, um vor Herzog Wilhelm Ernst eine neue Orgel anzuspielen. Ein weiteres Mal begeistert der junge Musiker mit seinem kunstvollen Spiel. Bach wird auf der Stelle eine lukrative Position als Hoforganist und Kammermusiker angeboten. Am 25. Juni 1708 reicht er in Mühlhausen sein Entlassungsgesuch ein, welches der Rat zähneknirschend akzeptiert. Einer Berufung an den Hof eines regierenden Fürsten ist wenig entgegenzusetzen.

Magnifice, Hoch- und WohlEdle, Hoch- und Wohlgelahrte, Hoch und Wohlweise Herrn, Hochgeneigte Patroni und Herrn,

Welcher gestallt Eüre: Magnificenz, und Hochgeschäzte Patronen zu dem vor dem Jahre verledigtem Organisten Dienste D: Blasii meine Wenigkeit hochgeneigt haben bestellen, darneben auch Dero Milde zu meiner beßeren subsistenz mich genießen laßen wollen, habe mit gehorsahmen Danck jederzeit zu erkennen. Wenn auch ich stets den Endzweck, nemlich eine regulirte kirchen music zu Gottes Ehren, und Ihren Willen nach, gerne aufführen mögen, und sonst nach meinem geringen vermögen der fast auf allen Dorfschafften anwachsenden kirchen music, und offt beßer, als allhier fasonierten harmonie möglichst aufgeholffen hätte, und darümb weit u. breit nicht sonder kosten, einen guthen apparat der auserleßensten Kirchen Stücken mir angeschaffet wie nichts weniger das project zu denen abzuhelffenden nöthigen Fehlern der Orgel ich pflichtmäßig überreichet habe, und sonst aller Ohrt meiner Bestallung mit Lust nachkommen währe: so hat sichs doch ohne wiedrigkeit nicht fügen wollen, gestalt auch zur zeit die wenigste apparence ist dass es sich anders, obwohl zu dieser kirchen selbst eigenen Seelen vergnügen künfftig fügen mögte, über dießes demöthig anheim gebende, wie so schlecht auch meine Lebensarth ist, bey dem Abgange des Haußzinses, und anderer eäßerst nöthigen consumtionen, ich nothdürfftig leben könne.

Alß hat es Gott gefüget, dass eine Enderung mir unvermuthet zu handen kommen, darinne ich mich in einer hinlänglicheren subsistence und Erhaltung meines endzweckes wegen der wohlzufaßenden kirchenmusic ohne verdrießlichkeit anderer ersehe, Wenn bey Ihro HochFürstlichen Durchlaucht zu Sachsen Weymar zu dero Hoffcapell und Cammer music das entree gnädigst erhalten habe. Wannenhero solches Vorhaben meinen Hochgeneigtesten Patronen ich hiermit in gehosahmen respect habe hinterbringen und zugleich bitten sollen, mit meinen geringen kirchen Diensten vor dießesmahls vor willen zu nehmen, und mich mit einer gütigen dismission förderlichst zu versehen. Kan ich ferne etwas zu Dero Kirchen Dienst contribuiren, so will ichs mehr in der That, als in Worten darstellen, verharrende lebenslang

HochEdler Herr, Hochgeneigte Patronen und Herrn, Deroselben

Mühlhausen. den 25. Jun: anno 1708
dienstgehohrsamster Joh: Seb: Bach.

Nach seinem Weggang bleibt Bach der Stadt Mühlhausen und besonders Pastor Eilmar freundlich verbunden. Auch für die Ratswechsel in den Jahren 1709 und 1710 wird er die Festkantaten komponieren (die ebenfalls auf Kosten des Rates gedruckt werden, aber nicht erhalten sind). Sogar noch 26 Jahre später wird er kurz nach Mühlhausen kommen, um sich als Orgelgutachter nützlich zu machen.

Windrose 1708-1717 · Weimar: Die Familie wächst