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Leben · Weimar · 1708-1717

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Bach-Denkmal in Weimar

Weimar ist zweimal Station im Leben von Johann Sebastian Bach. Zum ersten Mal verbringt er 1703, frisch aus Lüneburg zurückgekehrt, ein halbes Jahr in der Residenzstadt. Nach seinem Aufenthalt in Arnstadt und Mühlhausen kehrt der mittlerweile 23jährige von 1708 bis 1717 nach Weimar zurück, um am Hofe von Herzog Wilhelm Ernst zu arbeiten.

1708-1717

In Weimar hat sich wenig geändert. Wie schon fünf Jahre zuvor regieren am Hof auch im Jahr 1708 die beiden Brüder Wilhelm Ernst und Johann Ernst - noch.

Denn schon ein Jahr später stirbt Johann Ernst und sein Sohn Ernst August übernimmt einen Teil der Regierungsgeschäfte. Onkel und Neffe sind kein gutes Team. Während der 46jährige Wilhelm Ernst ("alles mit Gott") als sehr religiöser und strenger Herr gilt, ist Ernst August weltlicher orientiert und liberaler. Der 19jährige muss sich oft gegen seinen machthungrigen Onkel behaupten. Wilhelm Ernst ist nicht gerade zimperlich, wenn es um die Demonstration seiner Stärke geht. Als seine Frau Charlotte nicht seiner Meinung ist, lässt er sich erst von ihr scheiden und sperrt sie dann für den Rest ihres Lebens in einem seiner Schlösser ein. Die Zankereien der beiden Fürsten werden auf Kosten der Untertanen und Hofbediensteten ausgetragen, welche beiden Herren zu dienen haben.

Weimar Immerhin schätzen beide Regenten die Musik und ergänzen sich hier sogar. Der jüngere Ernst August spielt selbst Violine und Trompete. Er engagiert sich für den Ausbau der höfischen Musik, kümmert sich persönlich um die Erweiterung der Instrumenten- und Musikalienbestände, organisiert Orgelkonzerte in der Schlosskirche und sorgt dafür, dass der moderne, gerade aufgekommene italienische Konzertstil am Weimarer Hof etabliert wird. Wilhelm Ernsts große Leidenschaft liegt vor allem in der Pflege der Kirchenmusik. Aus diesem Grund kann in Weimar auf die ungewöhnlich hohe Zahl von zwölf bis 18 professionellen Sängern zurückgegriffen werden.

Hoforganist

Signum In dieses geladene, aber musikalisch fruchtbare Umfeld zieht Bach im Juli 1708. Am 14. Juli trifft er mit seiner schwangeren Frau Barbara, seiner pflegebedürftigen Schwägerin und dem 27jährigen Johann Martin Schubart, einem aus Mühlhausen gefolgten Schüler, in Weimar ein. Seine erste Wohnung liegt Am Markt 16, direkt gegenüber des roten Schlosses, der Residenz von Herzog Ernst August. In der Nähe des jüngeren Fürsten wird er bis 1713 wohnen und unterrichten. Phillip David Kräuter, ein Schüler Bachs, schwärmt von seinem Lehrer:

[...] er ist ein vortrefflicher, dabey auch sehr getreuer Mann, sowohl in der Composition und Clavier, als auch in andern Instrumenten, gibt mit den Tag gewiß 6 Stund zur Information, die ich dann absonderlich zur Composition und Clavier, auch bißweilen zu andren Instrumenten exercirung hoch vonnöthen habe, die übrige Zeit wende ich vor mich allein zum Exerciren und decopiren an, dann derselbe mir alle MusikStück, die ich verlange, communiciert, habe auch die Freyheit, alle seine Stücke durchzusehen.

Johann Sebastian Bach tritt die Nachfolge des wegen Krankheit emeritierten Hoforganisten Johann Effler an. Finanziell hat sich der Wechsel wieder einmal gelohnt. Mit 150 Gulden verdient er 20 Gulden mehr als sein Vorgänger, dazu kommen 18 Scheffel Korn, 12 Scheffel Gerste, vier Klafter Floßholz und 30 Eimer Bier. Zudem kann er mehrmals eine Lohnerhöhung durchsetzen:

Auch musikalisch ist die Stelle in Weimar abwechslungsreicher. Bach kann hier beides: im Gottesdienst Orgel spielen und am Hof Kammer- und Orchestermusik machen. Gesellschaftlich ist der Wechsel allerdings ein Abstieg. Aus dem freien Bürger Bach wird wieder ein fürstlicher Lakai (Hoforganist und Kammermusiker), seinen Herren zu striktem Gehorsam verpflichtet.

Im gleichen Jahr kommt Bachs erste Tochter, Catharina Dorothea zur Welt. Im Laufe der kommenden Jahre wächst die Familie Kind um Kind. Zwei Jahre später (1710) folgt Wilhelm Friedemann, im Februar 1713 gebiert Maria Barbara Zwillinge, die allerdings bald nach der Geburt sterben. Im März 1714 erblickt Carl Philipp Emanuel das Licht der Welt, im Mai des darauffolgenden Jahres Johann Gottfried Bernhard.

Schlosskirche

In Weimar geborene Kinder:
Catharina Dorothea * 28.12.1708† 14.01.1774
Wilhelm Friedemann* 22.11.1710† 01.07.1784
Maria Sophia
Johann Christoph
* 23.02.1713† 15.03.1713
† 23.02.1713
Carl Philipp Emanuel* 08.03.1714† 14.12.1788
Johann Gottfried Bernhard* 11.05.1715† 27.05.1739

Die während der Zeit des 30jährigen Krieges gebaute Schlosskirche, ist Bachs wichtigste Arbeitsstätte. Die schlanke, nach oben strebende Himmelsburg steht direkt am Stadtschloss. Durch die ungewöhnliche Platzierung von Orgel und Musikern, hoch über den Köpfen der Gläubingen, hatte die Kirche eine eigene, besondere Akustik. Von der mächtigen Kuppel reflektiert, schien die Musik direkt aus dem Himmel zu erklingen. Die von Ludwig Compenius gebaute und gerade überholte Orgel besitzt zwei Manuale.

Orgel der Schlosskirche in Weimar:
Hauptwerk Brustwerk Pedalwerk
Quintadena 16' Prinzipal 8' Großuntersatz 32'
Prinzipal 8' Viola da gamba 8' Subbass 16'
Gemshorn 8' Gedackt 8' Violonbass 16'
Quintadena 4' Kleingedackt 4' Prinzipal 8'
Oktave 4' Oktave 4' Cornettbass 4'
Mixtur 6fach Waldflöte 2' Posaune 16'
Zimbel 3fach Sesquialtera 4fach Trompete 8'
  Trompete 8' Glockenspiel

Musikalisch stellt Weimar den Höhepunkt von Johann Sebastian Bachs Orgelkompositionen dar. Vor allem in den ersten Jahren setzt er, mit viel Elan, die bereits in Arnstadt begonnenen großen Werke fort.

Außerdem hat Johann Sebastian Bach Zeit zum Reisen. 1710 prüft er im Örtchen Taubau, fünf Kilometer ilmaufwärts, eine Orgel. Drei Jahre später bewirbt er sich um das Organistenamt an der Marienkirche in Halle. Friedrich Wilhelm Zachau, einer der Lehrer Georg Friedrich Händels und selbst ein großer Komponist, war im Herbst 1713 gestorben. Dokumentiert ist Bachs Aufenthalt im Gasthof "Zum Goldenen Ring", da die Kirche für Kost und Logie aufkommt. Als Probestück komponiert er eine Kantate, die den Kirchenrat scheinbar überzeugt. Am 13. Dezember 1713 erhält Bach die Zusage für das neue Amt. Nach mehreren Monaten Bedenkzeit sagt er die Stelle wegen zu geringen Gehalts ab.

Ernennung zum Konzertmeister

Blockflöte Vielleicht wollte Bach auch seinen Wert in Weimar etwas steigern. Jedenfalls verleiht Herzog Wilhelm Ernst ihm, am 2. März 1714 nach einem förmlichen Gesuch den neu geschaffenen Titel "Konzertmeister". Damit verbunden ist die Pflicht, "Monatlich neüe Stücke auff[zu]führen". Bach wird vom Herzog geschätzt, einen derartig herausragenden Organisten hat er vorher noch nicht gehabt.

In Weimar entstandene Werke:

Auch als Konzertmeister bereist Bach andere Städte. 1716 besucht er Erfurt und Halle, 1717 wird er nach Leipzig eingeladen und vertritt im gleichen Jahr in Gotha Hofkapellmeister Christian Friedrich Witt am Hofe von Herzog Friedrich II.

Bach kann die Situation am Weimarer Hofe zur Erweiterung seines Arbeitsbereichs nutzen. Der Hofkapellmeister Johann Samuel Drese ist bereits über 60 Jahre alt und lässt sich aufgrund seiner angeschlagenen Gesundheit gerne bei der Leitung der kirchlichen Figuralmusik helfen. Bach nimmt an Aufführungen der Hofkapelle teil. Neben Cembalo spielt er vermutlich auch Geige oder Bratsche. Am Hof verfügt er zum ersten Mal im Leben über ein professionelles Orchester und ausgebildete Sänger. Er komponiert, besonders in den ersten Jahren als Konzertmeister, Kantaten auf höchstem Niveau. In Weimar entstehen über 20 dieser Werke.

Das Orgelbüchlein

In Weimar beginnt Johann Sebastian Bach mit einem anderen musikalischen Projekt: dem Orgelbüchlein. Das angeblich für seinen Sohn Wilhelm Friedemann geschriebene Unterrichtswerk sollte ursprünglich 164 Choräle in der Anordnung des Kirchenjahres enthalten. Bach komponiert nur etwas mehr als ein Viertel und beendet das Projekt nach 46 Stücken... doch dieses Konzentrat ist derart ausgefeilt und vielseitig, dass Bach es womöglich nicht mit weiteren Chorälen verdünnen wollte. Den Titel des Büchleins schreibt er erst in Köthen:

Worinne einem anfahenden Organisten Anleitung gegeben wird, auff allerhand Arth einen Choral durchzuführen, anbey auch sich im Pedal studio zu habilitiren, indem in solchen darinne befindlichen Choralen das Pedal gantz obligat tractiret wird.

Dem Höchsten Gott allein zu Ehren,
Dem Nechsten, drauss sich zu belehren.

Autore Joanne Sebast: Bach
p.t. Capellae Magistri S. P. R. Anhaltini-Cotheniensis.

Am 1. Dezember 1716 stirbt der alte Kapellmeister Drese. Bach geht davon aus, dass er die Nachfolge antreten wird, doch er hat die Rechnung ohne seinen Herzog gemacht. Wilhelm Ernst wünscht sich nämlich einen anderen großen Komponisten: Bachs Zeitgenossen Georg Philipp Telemann (seit 1712 städtischer Musikdirektor in Frankfurt). Die Sache erfährt eine interessante Wendung, weil die beiden Komponisten Bach und Telemann sich kennen. Als der Herzog Telemann ein Angebot macht, schreibt dieser zurück, dass er mit Bach ja den besten Musiker habe, den man sich als Hofkapellmeister vorstellen könnte. Außerdem teilt er Bach von der Anfrage des Herzogs mit. Bach wendet sich daraufhin an Wilhelm Ernst und stellt ein förmliches Gesuch um die Kapellmeisterstelle. Doch der Herzog antwortet ihm nicht. Bach ersucht um eine Audienz - und erhält keine. Man kann davon ausgehen, dass Bachs Beziehung zum Herzog spätestens an dieser Stelle sehr abgekühlt war. Zu guter Letzt streicht Wilhelm Ernst ihm noch seine Notenpapierlieferungen. Bach reagiert darauf, indem er nichts mehr komponiert.

Einen Ausweg verspricht Fürst Leopold von Köthen. Als er von den Vorgängen in Thüringen erfährt, bietet er Johann Sebastian Bach hocherfreut die Stelle des Hofkapellmeister an seinem Hofe an. Neben einem höheren Lohn (über 400 Gulden) würde auch der gesellschaftliche Aufstieg vom Lakai in den Rang eines Hofoffiziers winken. Fürst Leopold verspricht ihm zudem die alleinige Verantwortung über Hof-, Kammer- und Tafelmusik und die musikalische Begleitung und Unterweisung des Fürsten. Bach kann nicht widerstehen. Er unterschreibt einen Vertrag mit Einstellung zum 1. August 1717. Doch Wilhelm Ernst will ihn nicht ziehen lassen und verweigert die Zustimmung. Nach weimarischer Landesordnung darf niemand ohne ausdrückliche Genehmigung des Herzogs das Land verlassen. Bach sitzt in Weimar fest. Um ihn zu disziplinieren, lässt Wilhelm Ernst ihn sogar ins Gefängnis werfen.

eod. die 6. Nov. (1717) ist der bisherige Concert-Meister und Hof-Organist Bach wegen seiner Halsstarrigen Bezeugung und zu erzwingenden Dismission auf der Land Richter-Stube arretieret und entlich den 2. Dezember darauf mit angezeigter Ungnade ihm die Dismission durch den Hofsekretär angedeutet und zugleich des arrests befreiet worden.

Nach knapp vier Wochen bei Wasser und Brot darf Bach endlich gehen. Begleitet von seiner Frau und seinen vier Kindern verlässt er Weimar in Richtung Norden. Der Bachschüler Schubart tritt in die Fußstapfen seines Lehrers und wird Hoforganist. Die frei gewordene Kapellmeisterstelle wird an Dreses Sohn Johann Wilhelm vererbt und die Position des Konzertmeisters entfällt.

Windrose Kapellmeister bei Fürst Leopold
1717-1723 · Köthen: Tod, neue Liebe und zweite Heirat